Ein Praktikum, das zu einem zweiten Zuhause wurde
Wer hätte gedacht, dass eine einzige E-Mail so vieles verändern kann? Am 28. Jänner 2023 schickte ich meine Bewerbung um ein Praktikum an den Zirkusdirektor des Zirkus Pikard, Herrn Alexander Schneller, ab. Vier Tage später kam die überraschende Zusage.
Jetzt sind schon wieder mehr als hundert Tage seit dem letzten Arbeitstag vergangen. Mein erster Arbeitstag war am 31. Juli, dabei platzte ich mit Sack und Pack mitten in die Aufbauarbeiten in Tulln hinein. Ich erinnere mich noch an all die verdutzten Gesichter, doch der Höhepunkt war der Zirkusdirektor, der nur fragte: „Ach, Montag schon? Passt auch.“ Ohne Planung geht bei einem Unternehmen mit fast wöchentlichem Standortwechsel natürlich nichts und gleichzeitig ist vieles auch ungeplant oder geht einfach im alltäglichen Trubel unter. Mit dieser gelebten Spontanität hatte ich in den ersten Tage zu kämpfen. In der Schule ist alles genau durchgeplant und selbst das Unvorhergesehene wird zu planen versucht. Im Zirkus ist es nicht unbedingt so. Sicher, jeder weiß, wann die Vorführungen sind und wann Umzugstag ist. Der Rest der Zeit ist allerdings stets etwas chaotisch. Ein Beispiel: Ich sitze in meinem Wohnwagen, als Direktor Alexander mich ruft, dass wir in fünf Minuten ins Kino fahren.
Die Wochen in Tulln vergingen wie im Flug. An Vorstellungstagen war ich vormittags an der Zirkuskassa und verkaufte Eintrittskarten. Ebenso betreute ich gemeinsam mit John Lutzny den Souvenirwagen. Während der Show stand ich den Gästen beim Eingang zur Seite. Den Rest der Zeit verbrachte ich in meinem Wohnwagen oder bei den Lutznys, einer lieben fünfköpfigen Familie aus Deutschland. Der Umzug nach Herzogenburg zu den NÖKISS (Niederösterreichische Kinder Sommer Spiele) war eine Sache für sich. Nach Temperaturen um die 10 Grad Celsius und 40 km/h Windstärke war auf einmal wieder die Hitzewelle mit bis zu 37 Grad da. Der Abbau dauerte einen ganzen Tag, wobei zuerst die Zäune, die Sitzbänke und die Technik weggebracht wurden bis letztendlich die Zeltplane hinuntergelassen wurde. Kurzer Tipp von mir: Sollte dich jemals jemand fragen, ob du mal eben eine Tribünenbank wegtragen kannst, weil sie eh nicht sooo schwer ist, so sagt man besser nein. Denn leicht zu tragen ist da nichts.
Jetzt bin ich wieder in der Schule, nachdem ich so viel Neues ausprobieren durfte. Ich hab mich im Jonglieren versucht, ich hab mich am Tuch versucht und an der Kassa vor Vorstellungsbeginn. Manches funktionierte besser als anderes, aber darum ging es auch nicht. Es geht darum, mutig zu sein und die kleinen Dinge zu schätzen. Denn das ist es, was fehlt. Die Gespräche hinter dem Zelt während der Vorstellungspausen am NÖKISS, das Herrichten von Zuckerwatte, wenn noch niemand da ist, die vielen kleinen Streiche, die ständig untereinander gespielt werden, und vieles mehr. All das werde ich nie vergessen und es ist auch noch nicht vorbei, denn die nächsten Sommerferien kommen bestimmt. Also verbringt euer Praktikum gerne im Zirkus, ihr werdet es nicht bereuen, denn da findet ihr nicht nur einen Job, sondern Familie. Solange es nicht der Zirkus Pikard ist, denn da bin ich die Praktikantin!
Laura Glocker